Viertelfinale, Hinspiel im Europapokal der Pokalsieger 1975/1976: Celtic Glasgow vs. BSG Sachsenring Zwickau 1:1

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Spielbericht

Nichts ist unmöglich!

Europas Meister, Pokalsieger oder UEFA-Cupteilnehmer reisten selten mit der Absicht nach Glasgow, in der Hochburg des schottischen Fußballs zu gewinnen. Bei Celtic (29mal Meister, 24mal Cupsieger, EC 1-Gewinner 67) vielleicht knapp zu verlieren oder unter Umständen unentschieden zu spielen, war schon das höchste der Gefühle. Da sollte ausgerechnet Außenseiter Zwickau gegen den Topfavoriten aus Parkhead eine Ausnahme machen wollen?

"Erfolgreiche Taktiker", warnte CG-Präsident Desmond White. "Die Fans können uns helfen, zu gewinnen", beschwor Manager-Assistent Sean Fallon (an Stelle des bei einem Autounfall verletzten Jock Stein) ebenfalls im offiziellen Programm den enthusiastischen Anhang. In der Tat, unserem FDGB-Pokalsieger wurde es Grün-Weiß vor den Augen, schwarz jedoch nicht! "So gewissenhaft, diszipliniert wie an diesem Abend erfüllte unsere Mannschaft die taktische Konzeption noch nie", war Karl-Heinz Kluge des Lobes voll. Kenner der schottischen Materie, wie fuwo-Korrespondent Ken Robertson, machten klar: "Celtic ist in Hochform. Der Ausfall des an Grippe erkankten Gavin wird durch Hood mühelos wettgemacht."

46 000 wähnten "The Boys" auf den Spuren der voraufgegangenen Heimsiege gegen Valur Reykjavik (7:0) und Boavista Porto (3:1). Denn Celtic stürmte! Entfesselt, leidenschaftlich, getreu der britischen Einstellung zum Fußball, ihn als körperliche und läuferische Schwerstarbeit zu verstehen. Kein Weg zu weit, kein Paß zu scharf, um nicht hinzulaufen. Für Rededuelle, Nörgeleien oder Temperamentsausbrüche, wenn etwas nicht den eigenen Vorstellungen entsprach, blieb keine Zeit. Pure Verschwendung! "Das war bester Anschauungsunterricht, wie man im aufopferungsvollen Einsatz völlig aufgehen kann", gestand Alois Glaubitz.

Den "Sieg mit 3:0 herauzuschießen, um Klarheit für das Rückspiel zu schaffen" (so Sean Fall), strebte Celtic keineswegs mit einseitigen Mitteln an. Es wählte:

Das temposcharfe Grundlinienspiel mit dem schulmäßigen Rückpaß hinter die Sachsenring-Abwehr; den präzisen Doppelpaß, um sich dem kompromisslosen Einsatz der Westsachsen zu entziehen; den individuellen Durchbruch über die Flügel sowie Serien von hohen Flanken und Eingaben.

Was den Celtic-Stil von der ersten bis zur letzten Minute so gefährlich machte, war die ständige Verquikung aller Angriffsarten. Flach geht nichts, also hoch in den Torraum hinein - in dieses unsinnige "Allheilmittel" stereotyper Taktiker flüchteten sich die Schotten nicht. Könnern wie Dalglish, Deans, Lennox, McGrain wäre das einfach zu simpel gewesen.

Unter den Flutlichtbündeln der 1.200 Lux-Lampen wies Celtic imponierende Zahlen für sein Powerplay aus: 21:1 (7:1)-Ecken, 24:6 (14:4)-Torschüsse, 4:1 (1:1)-Torkopfbälle, 11:4 (1:2)-Chancen und den Kulminationspunkt überhaupt: Foulstrafstoß an Dalglish, als der überragende Deckungsorganisator H. Schykowski einen Bruchteil zu spät zum Ball ging und der Celtic-Kapitän stürzte. "Unfaßbar für mich, daß der Torwart meinen scharfen Penalty hielt", ärgerte sich Bobby Lennox. Die Erfahrung des dienstältesten Celtic-Spielers, der 1967 das Lissabonner 2:1-Finale gegen Inter Mailand mitbestritt und schon über 250 Tore für seine Elf schoß, bedeutete nichts im Vergleich zur brillanten Abwehr Croys. "Ich flog instinktiv richtig", sagte unser Auswahltorsteher. Zum einen Teil der Wahrheit, dem Instinkt, gehörte in dieser 23. Minute allerdings auch der andere, nämlich die Klasse Jürgen Croys! "In den letzten Jahren sah ich keinen besseren Torwart im Celtic-Park. Was er machte, war richtig Weltklasse!" formulierte Celtic-Coach John Clarke.

Nur einmal gab sich Zwickau (ohne Henschel und Bräutigam angetreten) geschlagen, als die gefährlichste Waffe der Schotten, der flache Steilpaß in die Halbposition, von Dalglish genutzt wurde. Ein erfreulich knapper Rückstand, der das Gespür für den Konter in der Sachsenring-Elf wachhielt. "Späte Sensation "betitelte John Mac Kenzie im "Scottish Daily Express" seinen Kommentar zum Spiel. Hugh Taylor artikulierte die Gemütsverfassung der Schotten mit der Schlagzeile im "Daily Record" : "Blank sorgte für ein trauriges Celtic". Doch was für eine glückliche Zwickauer- Elf! ,,Als Dieter Leuschners Paß zentimetergenau kam, trat ich an und schoß plaziert." Ludwig Blank, Dauersprinter und Energiebündel zugleich, schoß sein wichtigstes Tor. Das Sensationsresultat aller Viertelfinalspiele des vergangenen Mittwochs war perfekt!

(Quelle: Die neue Fußballwoche; Autor: Günther Simon)

Tore

1:0 Dalglish (41.), 1:1 Blank (88.)

Aufstellungen

Celtic Glasgow: (Trainer: S. Fallon)

Latchford, Edvaldsson, McGrain, Aitken, Lynch, Mc Cluskey, Dalglish, Hood, Wilson, Deans, Lennox

BSG Sachsenring Zwickau: (Trainer: K.-H. Kluge)

Croy, H. Schykowski, Lippmann, Stemmler, J.Schykowski, Reichelt, Leuschner, Schwemmer, Dietzsch. Blank, Braun (66. Wutzler)

Schiedsrichterkollektiv

Axelryd, Björck, Svensson (alle Schweden)

Zuschauer

46.000

Spielort

Celtic Park, Glasgow

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